Hoppen während Corona. Von Maschen bis Hoheluft.
Mehrere Monate am Stück nicht auf einem Fußballplatz gewesen zu sein- daran kann ich mich kaum mehr erinnern. Aber unter `m Strich war es zumindest im Sommer ganz gut zu verkraften. Umso schöner dann der Re-Start in die neue Saison. Den Einschränkungen der Pandemie und selbst auferlegtem Eigenschutz entsprechend, spielte sich das Hoppen mit ein paar wenigen Ausnahmen eher in unmittelbarer Umgebung ab. So wurden endlich mal Ziele angesteuert, die wegen der sonst regelmäßigen Profispiele nicht unterzubringen waren. Im nach hinein war es oft netter und sowieso entspannter als in den oberen Ligen. Meinetwegen kann es erst einmal gerne so weitergehen.
Zunächst galt es die verschiedenen Coronaverordnungen der Länder und Hygienekonzepte der Vereine zu studieren. Die waren und sind nämlich sehr unterschiedlich. Ich gebe zu, es war auch ein wenig nervig irgendwann. In Hamburg waren zum Bespiel bis zu 100 Zuschauer zugelassen, wenn es nur Stehplätze gibt. Über 100 nur, wenn ausschließlich Sitzplätze angeboten wurden. In Niedersachsen lag die Grenze schon bei schlappen 50. Viele Homepages und Facebookseiten der Vereine waren verwaist oder lieferten nicht die notwendigen Informationen. Am Sichersten entpuppte sich eine vorherige, direkte Anfrage beim Verein. Denn, teils wurden aus Platzgründen gar keine Zuschauer zugelassen, mal auch etwas mehr als die verordneten Einhundert. Frühes Erscheinen oder die Mitnahme von Klappstühlen erhöhte ebenso die Chance irgendwo dabei zu sein. Im Speckgürtel von Hamburg gibt es auf niedersächsischem Gebiet einige Vereine mit regelmäßigen Zuschauerzahlen größer 50, die auf die Sitzplatz- Regelung angewiesen sind. Wenn keine Sitzplätze angeboten werden können, wird halt um das Mitbringen von Stühlen gebeten. Kein Witz. Wer also im Sommer mit einem Klappstuhl unterwegs war, wollte nicht an den Anglersee, sondern zum Fußball. Eines vorweg: Das ging mir dann doch etwas zu weit. Außerdem stehe ich ohnehin lieber.
In einschlägigen Groundhopping Gruppen wurden umfangreiche Informationen über Coronaverordnungen und Hygienekonzepten gesammelt und ausgetauscht. Hoppen mal anders. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, jemals einen derartigen Aufwand für den Besuch von unterklassigen Spielen betrieben zu haben.
Die erste Fahrt führte nach Maschen in Niedersachsen. Da wo die legendäre Band Truck Stop „ihr Studio hatte“. Also mit maximal 50 Zuschauern.
VFL Maschen – Ahrensburger TSV 4:2 50 Zuschauer
Rudolf- Sievers Arena 26.07.2020 Testspiel auf Level 7/6 (Bezirksliga/ Landesliga)
Wir zwei waren spät dran und durften daher nicht sofort auf den Platz. Nummer 50 und 51 war einer zu viel. Schön, dass jemand nach 15 Minuten die Anlage verließ und wir als Nachrücker die Anlage betreten konnten. Der betörende Duft des frischen Sommerrasens hat durchaus gefehlt. Da ist es auch egal, wer da eigentlich spielt. Der VFL Maschen ist ein Rauten lastiger Verein. Eindeutig erkennbar an den entsprechenden Tags, Aufklebern und Besuchern. Einige von denen wirkten zwar ganz schön schräg, aber so etwas verleiht eigentlich unbedeutenden Plätzen die sonst fehlende Würze. Ich mag das. Der HSV Fanclub „VFL Sponsoren Club Türlich Raute 1887“ bittet auf einer Werbebande um Aufmerksamkeit. Die auf dem Gelände befindliche Sporthalle wartet mit schönen Graffitis auf. Bratwurst & Co wurde aufgrund des Hygienekonzeptes nicht angeboten, aber im Clubheim musste nicht auf die obligatorische Kaltschale verzichtet werden. Auf Nachfrage wurde sogar ein Nudelgericht angeboten. Mühe geben sich in diesen Zeiten wirklich fast alle. Das Spiel war, soweit ich mich erinnern kann, ganz unterhaltsam. Der eine Spielklasse höher angesiedelte Gast aus Ahrensburg gewann verdient mit 4:2.
Höinger SV- SV Schwarz- Weiß Fromern 5:2 60 Zuschauer
Karl Kleine Stadion 02.08.2020 Testspiel (Level 8 Kreisliga)
Nach Monaten durfte endlich die Schwiegermutter für ein paar Stunden im Altersheim besucht werden. Der Weg führte uns also in die Ausläufer des Randsauerlandes. Den Tipp für den schicken Ground bekamen wir aus unserem örtlichen Schalke Fanclub. Zudem passte die Anstoßzeit von 13:00 Uhr nach einem ausgedehnten Frühstück perfekt in die weitere Reiseplanung. Der Ortsteil Höingen der Gemeinde Ense liegt mitten auf dem Höhenzug „Haarstrang“, der sich von Dortmund aus ostwärts bis in den Kreis Soest erstreckt. Eine schöne Landschaft, in der man übrigens auch ganz hervorragend Radeln kann. Die am Dorfrand in der Nähe eines Waldes gelegene Sportanlage bietet einen wunderbaren Blick in die Berge des Sauerlandes. Uns wurde nicht zu viel versprochen. Mit den ersten Spielen nach den Lockerungen wurde der nagelneue Kunstrasen eingeweiht. Auch deswegen war der Kick gut besucht. 60 Zuschauer machten das Testspiel zur Frühschoppenzeit zum Happening. Das trieb den Verantwortlichen schon ein wenig die Schweißperlen auf die Stirn. Eigentlich sollten sich die Besucher mit Abstand um das Spielfeld herum verteilen. Das funktionierte, sagen wir mal, nur leidlich. Dafür ist die überdachte Terrasse vor dem Clubheim mit samt kleiner, vorgelagerter Tribüne einfach zu einladend. Auf dem Platz war die Begegnung derweil hart umkämpft, teilweise ruppig. Die Stimmung gut. Ordentliches Kreisligagepöbel. Auch weil die Höinger zu Beginn der Partie kein Rezept gegen die schnelleren Gäste fanden. Erst als die Rot- Weißen ihre Abschlussschwäche ablegten bekamen sie den Gegner in den Griff und gewannen schlussendlich mit 5:2. Schicker Platz, freundliche Leute, nette Gespräche. Fußballherz, was willst du mehr.
DJK Einheit zu Pankow – SC Union 08 2:2 25 Zuschauer
Sportanlage Buchhorster Straße 01.09.2020 Testspiel (Kreisliga/ Bezirksliga)
Ein Spiel zu dem mir wirklich nichts Erwähnenswertes einfällt. Es handelte sich schlicht um das Einzige, welches in Berlin an jenem Dienstagabend angesetzt war. Immerhin lernte ich eine mir bis dato unbekannte Ecke der Hauptstadt kennen: Den Stadtteil Wilhelmsruh im Bezirk Pankow. Ein offenbar ruhiges, sowie hübsches Viertel mit so einigen, älteren Villen. Genauso ruhig ging es auf dem Sportplatz zu. Zuschauer konnte ich später rund fünfundzwanzig ausmachen. Verpflegung gab es leider nicht. Irgendetwas Erwähnenswertes auch nicht. Es war ein ziemlich einsamer Abend auf einer relativ frisch renovierten Anlage: Ein Kunstrasenplatz mit einem ziemlich neuem Funktionsgebäude. Das Alte hinter dem Tor wirkte trotz noch vorhandener Getränkeschilder und dergleichen dem Abriss geweiht. Die Begegnung endete nebenbei bemerkt 2:2.
FC Viktoria Harburg – Dersimspor 3:5 n.E. (1:1) 75 Zuschauer
Charly Dörfel Platz 19.09.2020 Landespokal Hamburg
Die ersten Runden im Landespokal bescheren dem Interessierten meistens eine große Auswahl an unbekannten Plätzen. Unsere Wahl fiel auf einen Platz im Stadtteil Harburg, der schon lange besucht werden wollte. Obendrein konnte die Paarung auch irgendwie als ein lokales Derby eingestuft werden, denn beide Vereine teilen sich derzeit diese traditionelle Spielstätte. Den Namen Charly Dörfel Platz trägt sie allerdings erst seit etwas mehr als einem Jahr, obwohl er selbst (im Gegensatz zu Vater Friedo und Onkel Richard) dort nur ein paar Spiele zum Karriereausklang absolvierte. Die Familie Dörfel war demnach in Harburg schon immer tief verwurzelt. Ebenso wie die meines Kumpels Thorsten, dessen Vater zu seinen besten Zeiten ebenso die Fußballstiefel für die Blau- Gelben schnürte. Die Hochzeit der Viktoria endete nach mehreren Jahren in Hamburg`s höchster Spielklasse Anfang 1962. In der Saison 1959/60 spielte man sogar um den Aufstieg in die Oberliga Nord. Der Club wurde letztendlich Opfer der großen Hamburger Vereine, die schon damals regelmäßig die besten Talente aus Harburg abwarben. Bis zu 5.000 Zuschauer sollen den Erzählungen nach mitunter zu den Spielen an die Winsener Straße gepilgert sein. Kaum vorstellbar, wenn man die Anlage heute sieht. Die Tribüne längs des Spielfeldes wurde allerdings schon vor langer Zeit dem Erdboden gleich macht. Auf den anderen drei Seiten zeugen übrig gebliebene, mit Gras bewachsene Stufen Reste eines Stadions. Diese verleihen dem Ground aber einen gefälligen Charme. Wir machten uns früh auf den Weg, um garantiert unter den ersten 100 zugelassenen Augenzeugen dabei zu sein. Die Aufregung stellte sich aber als vollkommen unnötig dar. Nur handverlesene 75 Zuschauer wollten dabei sein. Zum Glück wurde bei schönem Sonnenschein ein kleines Catering angeboten. Dass wir den kompletten Samstag hier verbringen würden, ahnten wir da noch nicht. Das Spiel war ziemlich ausgeglichen. Der zwei Klassen Unterschied war zwar in der Spielanlage auszumachen, aber der Kurdische Club aus der Landesliga vergab großzügig seine Chancen oder scheiterte an dem gut aufgelegten Keeper des Kreisligisten. So lagen dann unsere Sympathien natürlich beim unterklassigen Team, gleich wohl wir insgeheim ein Ende der Partie erhofften. Schlussendlich kam es nach einer Verlängerung zum Showdown im Elfmeterschießen, in dem sich die Erfahrung durchsetze. Dersimspor zog mit einem 5:3 in die nächste Runde ein und wir von dannen.
SC Poppenbüttel – USC Paloma II 2:0 130 Zuschauer
Sportplatz Bültenkoppel Bezirksliga Hamburg
Der SC Poppenbüttel ist ein großer Breitensportverein mit einem breitgefächertem Sportangebot im Nordosten Hamburgs. Im Fußball aber keine große Nummer. Vielleicht musste der Verein auch deswegen lange auf seinen Umbau des Platzes zu einem Kunstrasenplatz warten. Aber in diesem Sommer war es soweit. Die Anlage Bültenkoppel erstrahlt in neuem (Rasen-) glanz. 130 Zuschauer waren gemäß dem Hygienekonzept zugelassen, für ein Freitagabend Spiel nicht üppig. Frühes Erscheinen sicherte also den Zugang. Kurz nach Spielbeginn war die Obergrenze dann auch schon erreicht. Auch hier wurde außerhalb des Clubheims nichts Essbares angeboten, aber Hauptsache die Zapfanlage lief. An jenem sonnigen Herbstabend wurde diese auch gut frequentiert. Dennoch klappte das mit dem Abstand hier vorzüglich. Das Spiel war ebenso ganz unterhaltsam. Es entwickelte sich ein munteres Bezirksligaspielchen. Als Knaller entpuppte sich der Torjingel der Gastgeber. Nach einem kräftigen Ding Dong verstanden wir noch so etwas wie „Ich bin ein Saufautomat“. Fortan warteten nicht nur wir, sondern auch andere Hopper, gespannt auf ein weiteres Tor der Poppenbütteler und einer Wiederholung des Lachers. In der 77. Minute erlöste uns das 2:0. Nicht nur wir (mittlerweile dank Smartphone voll im Bilde) sangen scherzhaft mit: Saufi, Saufi. Warum der Stadionsprecher ausgerechnet so einen peinlichen Malle- Song ausgewählt hat, blieb uns verborgen. Er passte auf jeden Fall mal gar nicht zum anwesenden, eher gesetzten Publikum und rief daher auch keinerlei Reaktionen hervor. Mit Ausnahme bei uns.
SC Victoria Hamburg- Meiendorfer SV 8:1 270 Zuschauer
Stadion Hoheluft 02.10.2020 Oberliga Hamburg
Wie merkwürdig Hygienekonzepte ausgelegt werden (müssen) konnten wir an diesem Abend erleben. Schon vor der Pandemie ging es beim SC Victoria ziemlich Corona gerecht zu. Die rund 300 Anwesenden bei durchschnittlichen Heimspielen verloren sich in der Regel gut verteilt über die drei Tribünen des bis zu 8000 Zuschauer fassenden Stadion Hoheluft. Aufgrund der Vorgabe der Stadt oder des Hamburger Fußballverbandes (wer auch immer letztendlich diese Zahlen festgelegt hat) mussten sämtliche 270 Personen auf der einzigen Sitzplatztribüne Platz nehmen. Der Rest des großen Rundes blieb gähnend leer. Jede zweite Reihe war zwar gesperrt, besonders viel Abstand gab es dadurch aber nicht. Viele saßen nebeneinander, Grüppchenbildung inclusive. Der Ausschank von Alkohol tat während des Spielverlauf sein Übriges. Bier und Corona- Abstand passt halt nicht wirklich zusammen. Eine These, die sich (ohne, dass es jetzt irgendwo ausgeartet wäre) bei fast allen besuchten Spielen bestätigen ließ. Da Sitzen bekanntermaßen ohnehin für`n Arsch ist (im Winter erst recht), hielt sich unsere Begeisterung damit auch in Grenzen. Immerhin wurde das volle Programm der guten Verpflegung angeboten. Ebenso guter Fußball. Gefühlt gab es nur eine Richtung: Auf`s Tor der Meiendorfer. Unter der Leitung vom Ex- St. Paulianer Marius Ebbers entwickelte sich von Anpfiff an ein rasantes, schnelles Spiel auf Kunstrasen mit deutlicher Überlegenheit des Blau- Gelben Heimteams. Die Gäste aus dem Norden Hamburg`s wurden mit 8:1 (4:1 zur Pause) abgefertigt. Die Stimmung unter´ m Dach der ältesten noch stehenden Tribüne Norddeutschlands (nach einem Brand 1921 wieder aufgebaut) war dadurch prächtig. Wer hier noch nicht war, dem sei dieser schicke und gut erhaltene Ground sehr zu empfehlen. Viel mehr Tradition geht nicht. Schließlich wird hier schon seit 113 Jahren an ein und derselben Stelle gekickt. Zwischen 1911 und 1940 wurden an der Hohenluft sogar fünf Länderspiele ausgetragen. Das Fassungsvermögen wird heute mit 8.000 angegeben. Gut besucht wird es traditionell beim Endspiel des Hamburger Landespokals, welches jedes Jahr zu einem kleinen old school Fußballhappening mutiert. Der SC Victoria ist, bis auf zwei kurze Ausflüge in die Regionalliga Nord, heutzutage Dauergast in der Oberliga Hamburg. Er gehört mit seiner Gründung im Jahre 1895 zu den ältesten Vereinen Deutschlands und nahm als größten Erfolg der Vereinsgeschichte 1907 am Halbfinale der Deutschen Meisterschaft teil. Bekanntester Spieler dürfte Erwin Seeler, der Vater von „Uns Uwe“ sein. Aber auch Torhüter Walter Junghans und Stefan Effenberg schnürten einst als Jugendspieler hier die Stiefel. Heute versteht sich der Mehr- Sparten- Verein SC Victoria mit seinen mehreren Tausend Mitgliedern/Innen hauptsächlich als Stadtteilverein mit Fokus auf die jüngere Generation. Auf Ambitionen in höhere Fußballligen wird aufgrund der gestiegenen Anforderungen des DFB und damit verbunden Kosten an die vierte Spielklasse mittlerweile verzichtet. Konsequent. Allerdings hat es die Victoria auch zu Regionalligazeiten nicht geschafft, ihre Zuschauerzahlen dauerhaft signifikant zu steigern. Die jungen Fans, organisiert in der Gruppe Nord Kaos, gaben und geben sich bisweilen große Mühe, werden aber offenbar zu oft vereinsintern ausgebremst. Eigentlich schade! Denn, hier wäre mehr drin.
Fortsetzung folgt demnächst.
Unter anderem mit schönen Plätzen in der Regionalliga Nord und Oberliga Rheinland- Pfalz/ Saar.